Womit beginnen
Was am Anfang eines Ausstiegs wichtig sein kann
Liebe Betroffenen! Liebe AussteigerInnen!
Wer sich gerade in einer schwierigen Situation befindet und z.B. Gewalt erlebt, sei es durch einzelne Personen oder durch Gruppen, der wünscht sich oft ein Ende herbei und ist gleichzeitig „wie gefangen“ in der Situation. Es scheint oft keine Hilfe, kein Ausweg in Sicht und man weiss gar nicht, wie man es anfangen soll. Manchmal besteht eine Art Abhängigkeitsverhältnis zu dem Täter/ den Tätern und man fühlt sich hilflos und allein.
Viele sind erstmal ratlos und wissen nicht weiter.
Fragen werden laut, wie: „Wann hört das auf? Wie kann ich hier raus kommen? Wird es je ein Ende geben? Ist das überhaupt zu schaffen? Wie kann es gehen?“
Gleichzeitig macht sich in der Regel Angst breit und Zweifel tauchen auf: „Was, wenn es schief geht? Was, wenn jemand bemerkt, dass ich weg will oder Hilfe hole? Was, wenn ich erwischt und bestraft werde? Wird es hinterher wirklich besser sein als vorher?“
Diese Reaktionen sind alles andere als angenehm, doch für solche Situationen völlig normal.
Es ist gut, dass Du Dir diese Fragen stellst und darüber nachdenkst: „Was wäre, wenn…?“ und wie Dein Leben weiterlaufen könnte. Das sind gute und wichtige Überlegungen.
In der Hoffnung, dass Du bei diesen Überlegungen nicht stecken bleibst und Dich im Kreise drehst, möchte ich Dir zwei Gedanken weitergeben, die Dir evtl. helfen können Dich und Deine Situation etwas besser zu verstehen und vielleicht auch einen Schritt weiter zukommen.
Ich denke, dass für solche Momente 2 Punkte eine Rolle spielen:
1. Es geht von Innen nach Aussen
2. Deine Sicherheit steht an erster Stelle
1. Es geht von Innen nach Aussen
Es ist gut möglich, dass Dein Aussteigen, Dein Herauskommen aus Gewalt mit einem kleinen Gedanken, mit einer inneren Überlegung, mit einem Entschluss beginnt.
Vielleicht geht es Dir so, wie oben beschrieben: Du hast bereits bemerkt, dass in Deinem Leben nicht alles so ist, wie es sein könnte, dass irgendetwas schief läuft und es Menschen in Deinem Leben gibt, die Dich nicht gut behandeln und Dir evtl. sogar sehr wehtun.
Es kann sein, dass Wünsche nach einem besseren Leben und eine Sehnsucht, eine Hoffnung auf Veränderung und Unterstützung in Dir laut werden. Vielleicht bist Du auch schon an den Punkt gekommen, dass Du – zumindest im Stillen – sagst: „Mir reichst`s. Jetzt ist Schluss. Ich will das so nicht mehr.“
Oftmals kommt es dazu, dass sich ganz unterschiedliche Gedanken und Haltungen zu der Situation und Menschen gegenüber verändern und „miteinander ringen“. Es gibt Widersprüche, die kaum auszuhalten sind, wie z.B.:
„Er tut mir weh, aber irgendwie mag ich ihn trotzdem.“
„Ich kann nicht so tun, als wäre nichts geschehen, aber hinsehen und mich damit beschäftigen oder mich zu schützen, so dass (mir) dies nie wieder geschehen kann, das schaffe ich irgendwie nicht. Warum eigentlich?“
„Ich brauche ihn/sie. Ich hasse sie/ihn. Ich hasse mich.“
„Ich habe Angst, dass alles so weitergeht, wie bisher. Aber ich habe genauso viel Angst davor, dass sich tatsächlich etwas ändern könnte.“
„Wer bin ich? Warum reagiere ich so? Warum kann ich mich nicht wehren, schützen, abgrenzen? Warum lasse ich das (immer noch) mit mir machen?“
Diese Widersprüche und Fragen, die Unsicherheiten und Ängste, das Für- und Wider usw. können ganz schön anstrengend sein. Manchmal ist man verwirrt und weiss gar nicht mehr, was man denken soll und im anderen Moment scheint etwas klar, doch die Umsetzung ist gar nicht so leicht.
Fehlt Dir manchmal auch einfach der Mut, um einen Anfang zu wagen und etwas zu tun oder zu lassen, von dem Du weisst: „Das wäre jetzt gut, um einen Schritt weiterzukommen!“? Und vielleicht hast Du dann ein schlechtes Gewissen, machst Dir Vorwürfe, fühlst Dich als Versager oder hast schlichtweg eine gute Gelegenheit verstreichen lassen, um Dich für Dich und eine Verbesserung Deiner Situation einzusetzen.
Wie gut, dass Du das alles wahrnimmst!!! Es ist anstrengend, ich weiss. Doch genau diese Momente können so etwas wie eine Vorbereitung auf den nächsten Schritt sein. Denn alle Deine Wahrnehmungen, so unangenehm manche auch sein mögen, lassen Dich mehr und mehr erkennen, worauf Du achten kannst und was Dir wichtig ist. So erhältst Du Schritt für Schritt eine Idee von dem, wie es gehen könnte.
Bei allen Vorüberlegungen zu einem Ausstiegsversuch bzw. zu einem nächsten Schritt, bei allem, was an Vorteilen/ positiven Veränderungen und Nachteilen/ Risiken ausgelöst und bedacht wird, kommt es irgendwann in der Regel zu einem inneren Entschluss:
Vielleicht merkst Du, dass Du gerade nicht die Kraft hast einen Anfang zu wagen und Dir Hilfe zu holen? Also entscheidest Du, Dir zuerst von einer anderen Person Unterstützung zu holen oder abzuwarten, bis es Dir besser geht, um einen Fehlversuch bzw. eine Entäuschung zu vermeiden.
Oder Du spürst, dass die Situation gerade zu angespannt ist und es jetzt zu gefährlich wäre, sich von einem Täter/ dem Täterkreis zu entfernen und deshalb beschliesst Du, lieber noch etwas abzuwarten und zu einem späteren Zeitpunkt einen konkreten Schritt zu gehen.
Und vielleicht gibt es gerade jetzt, in diesem Moment eine gute Gelegenheit, um Dich zielstrebig und konsequent auf den Weg zu machen, eine Veränderung einzuleiten und einen Ausstiegsschritt zu wagen. Du probierst es einfach und gehst einfach los.
Doch alles begann in Deinem Inneren. Im Stillen sind Dir Sachen aufgefallen, Du hast Dir Fragen gestellt und hast Zweifeln und Unzufriedenheiten nachgespürt. Du hast Dich mit Widersprüchen auseinandergesetzt und das Pro und Kontra für einen Ausstieg miteinander abgewogen. Daraufhin entwickelte sich dann eine Einschätzung Deiner Situation und Möglichkeiten sowie der Grenzen, die es gerade gibt. Dem, was Du Dir wünscht, bist Du dabei näher gekommen und hast Dir evtl. erste Ziele gesetzt.
Und dann gab es da eine innere Entscheidung: noch zu warten, loszugehen oder es besser (noch) zu lassen.
Diese Entscheidung, die Du getroffen hast, hat dann zu einem konkreten Verhalten geführt. Und es hat Vorteile sich bewusst zu etwas zu entschliessen, unabhängig davon welche Entscheidung Du getroffen hast. Denn dann ist alles eingebunden in ein Ziel, das Du erreichen möchtest und Du fühlst Dich nicht mehr ganz so hilflos und der Situation ausgeliefert. Deine Entscheidung kann Dir helfen, im richtigen Moment loszugehen und stets nach vorne zu blicken, weil Du ein Ziel hast. Das, was Du Dir in Deinem Herzen vorgenommen hast, kann Dich durch vieles durchtragen, auch wenn die Situation in der Du gerade bist, noch so schlimm aussieht und Du eben nicht sofort dort heraus kommen kannst. Auch dann! Und das ist schon mal richtig gut!!!
Solche Abläufe (um eine Entscheidung ringen zu müssen, Hin- und Hergerissen zu sein, Situationen richtig einschätzen zu müssen, Gefühlschaos zu ordnen…) wiederholen sich im Leben und auch im Ausstiegsprozess immer und immer wieder. Wenn Du noch ganz am Anfang eines Ausstiegs stehst und Dich zum ersten Mal mit dem Pro und Kontra beschäftigst und versuchst zu einer Entscheidung zu kommen, was Du tun könntest und wie Dir ein Rauskommen gelingen könnte, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass das Meiste (gedanklich, gefühlsmässig) innerlich abläuft. Wenn Du schon erste Schritte hinter Dir hast, wirst auch Du immer mal wieder Zeiten haben, in denen Du nachdenklich bist, Widersprüche aushalten musst und zu einem inneren Entschluss kommen musst, bevor es weitergeht. Doch hier gibt es bereits schon äussere Veränderungen und ganz konkrete Versuche, so dass man von Deinen Entscheidungsprozessen auch von Aussen etwas sehen kann.
Je weiter Du kommst, desto mehr werden die Veränderungen sichtbar!!!
Bis zum Schluss wird es wichtig sein, sowohl das Innere, als auch das Äussere immer wieder in den Blick zu nehmen, zu verändern und zu optimieren. Je besser die inneren und äusseren Prozesse miteinander in Einklang zu bringen sind, desto höher ist die Chance, dass Du richtig weit kommen kannst mit Deinen Ausstiegsbemühungen. Die inneren und äusseren Veränderungen können Dich mit der Zeit stärken und führen zu einer Stabilität Deiner Gesamtsituation!
Doch gerade die inneren Auseinandersetzungen sind oft schwierig, machen Angst und man weiss machmal gar nicht, wie man das alles aushalten soll und wie man jemals weiterkommen kann. Leider dauert es oft eine Zeit, bis man Fortschritte sieht und es ist schwer, durchzuhalten, Geduld und Verständnis für sich selber aufzubringen und trotz allem immer weiterzumachen.
Allerdings sind diese inneren Prozesse und Entschlüsse sehr wichtig. So wichtig, dass ich Dir sage: Beschäftige Dich damit! Versuch ehrlich mit Dir selbst zu sein und Dich immer wieder mit den Möglichkeiten und Grenzen, die Du selber hast und die Deine Situation ausmachen, auseinanderzusetzen. Versuch wichtige innere Entschlüsse zu treffen und dann auch konsequent dabei zu bleiben. Dann hast Du eine realistische Chance Deinen Ausstieg zu schaffen.
Es geht leider nicht ohne diese innere Auseinandersetzung, denn Du musst Dich auch emotional und gedanklich von Einigem distanzieren und Neues erlernen. Da es in einem Ausstieg auch viele harte Zeiten gibt, benötigst Du eine innere Stärke, um standhaft zu bleiben und um wirklich sichtbare Erfolge zu erleben, brauchst Du diese innere Entschlusskraft, die genau mit diesem inneren Ringen und der Innenarbeit wächst und Dich irgendwann ein Stück durchtragen kann.
Es ist schön, wenn es äussere Verbesserungen gibt. Doch eine äussere Veränderung allein bewirkt noch lange nicht, dass Du frei bist von Deiner Vergangenheit oder Dir ein besseres Leben aufgebaut hast. Bitte vergiss die Innenarbeit nicht. Sie ist wichtig, bis zum Schluss.
Ich wünsche Dir von Herzen, dass Du auf Deine innere Stimme hören kannst, die es gut mit Dir meint. Dass Du stabiler und stabiler wirst und das Äussere und Innere so gut ineinander greift, dass Du sichtbar weiterkommst und zufrieden sein kannst mit Deinem Leben und den Fortschritten, die Du machen konntest.
Ich wünsche Dir, dass Du am Ende sagen kannst:
„Ich habe es geschafft. Ich bin ausgestiegen und ich bin stolz ein Aussteiger zu sein.“
Bis dahin ist es evtl. noch ein weiter Weg. Bitte hab Geduld mit Dir und gib nicht auf!!!
Vielleicht ist jetzt am Anfang die Frage nach dem „Wie“ bei Dir am Drängensten:
„Wie könnte ich es vesuchen? Wie könnte ich es anfangen? Wie könnte ich es schaffen?“
Und ich denke, dass Du mit der Zeit immer klarer sehen wirst und mehr und mehr Antworten und Ideen auf Deine Fragen erhalten wirst. Und irgendwann wirst Du es wissen und entsprechend handeln. Dein Nachdenken, Dein Ringen um eine Entscheidung und Dein Fragen hat einen Sinn. Bitte vergiss das nicht!
Gib nicht auf! !! Bitte mach weiter!!!
2. Deine Sicherheit steht an erster Stelle
Es ist gut sich auf den Weg zu machen, doch das „Wann“ ist hierbei eine äusserst wichtige Komponente. Ebenso ist es gut darüber nachzudenken, worauf man achten sollte, damit man möglichst sicher und effektiv weiterkommt.
Es gibt Situationen da macht es eher weniger Sinn einen nächsten Schritt zu wagen.
Es gibt Momente, da wäre es sogar unvernünftig oder gefährlich, gerade jetzt einen Ausstiegsversuch zu starten. Und zu einer anderen Zeit existieren wiederum gute Gelegenheiten, um einen Entschluss in die Tat umzusetzen.
Bevor Du also irgendetwas tust, möchte ich Dich sehr herzlich darum bitten, Deine Situation abzuschätzen und Dich zu fragen: „Ist es jetzt sicher genug? Bin ich jetzt stark genug dafür und kann ich das wirklich durchziehen? Macht es Sinn jetzt einen Schritt weiterzugehen? Wie kann ich mich absichern?“
Denn Deine Sicherheit steht an erster Stelle!!!
Es nutzt ja nichts, wenn Du lediglich Dich selbst oder andere in Gefahr bringst oder Dich irgendwie verhedderst, weil Du vielleicht gedankenlos und spontan einfach drauf los gehandelt hast und dabei keinen Schritt voran gekommen bist.
Was macht jetzt Sinn? Wann ist es Zeit für einen ersten, für einen nächsten Schritt und wie sieht Deine Situation gerade aus?
Manchmal verändern sich Situationen, so dass es einen Moment gibt, wo z.B. die Täter sowieso mehr gucken, was Du gerade machst und strenger oder brutaler sind als sonst, oder Du Dich irgendwie stabiler oder unfähiger und kraftloser fühlst. Je nach Situation und je nachdem, was Du gerne versuchen würdest, ist es gut, noch einen Moment innezuhalten und über die Gesamtsituation nachzudenken.
Gelingt es Dir Risikofaktoren oder aber auch günstige Gelegenheiten wahrzunehmen, kannst Du das auch für Dich nutzen – entweder zu Deinem Schutz oder für ein erfolgreiches Weiterkommen. Und das klingt ziemlich schlau, oder?
Es dauert manchmal einige Zeit, bis man gelernt hat Reaktionen und Situationen einzuschätzen und eine Idee davon zu bekommen, was wann gut umsetzbar ist. Doch es ist möglich und kann Dir sehr helfen. Vielleicht wird Dir ein bewusstes Abwarten auf eine gute Gelegenheit sogar eines Tages irgendwie das Leben retten oder Dir zumindest das Aussteigen erleichtern.
Es geht also darum, einen klaren Kopf zu bewahren und gut zu wählen, wie man jetzt weitermacht. Bevor Du also irgendetwas unternimmst, überleg Dir bitte, welcher Weg jetzt gerade mehr Sinn macht: abzuwarten, gar nichts zu tun und sich so unauffällig wie möglich zu verhalten oder Vorbereitungen (z.B. für einen Umzug) zu treffen.
Ein gezieltes Abwarten auf eine entspanntere Situation oder auf einen Moment, in dem Du spürst, dass jetzt die Kraft da ist, um mutig zu handeln, ist oft sinnvoller als einfach drauf los zu reagieren. Doch wenn man immer nur „auf bessere Zeiten“ wartet, geht es ja auch nicht weiter. Für Veränderungen muss man sich schon auch durch konkrete Handlungen einbringen, sonst wird das nichts.
Wann ist denn ein guter Moment, um einen Ausstieg zu wagen?
Einige Merkmale, die günstige Gelegenheiten für einen Ausstiegsversuch bieten können:
- Es gibt zwar keine Garantien, dass Dein Vorhaben funktionieren wird und Du hast auch immer noch Angst, doch Du fühlst Dich innerlich so stark und entschlossen, dass Dich dieser Gedanke nicht loslässt und Du irgendwie weisst: „Das ist jetzt das Richtige!“
- Wenn Du viel über Dich und die Situation nachgedacht hast und gezielt handeln kannst.
- Wenn Du die Möglichkeit hast, Deine Reaktionen in einen Rahmen einzubinden, z.B. wenn Du einen Umzug mit der Kontaktaufnahme zu einem Helfer verbinden kannst.
- Wenn Du Dir vorher Ziele überlegt hast und weisst, was Du benötigst, um weiter-zukommen und nun ganz konkret losgehst und versuchst, das zu bekommen, was Du brauchst, um Deinen Zielen ein gutes Stück näher zu kommen.
- Wenn es Dir gelingt, Dich mit Menschen zusammen zu tun, die bereit sind, Dich für einen Moment zu unterstützen.
- Wenn es Menschen gibt, die es gut mit Dir meinen und evtl. auch von Deiner schwierigen Situation und Deinen Plänen wissen.
- Wenn die Täter gerade etwas nachlässiger und unaufmerksamer sind, als sonst.
- Wenn Du Dich eh schon irgendwie von den Tätern etwas distanziert hast und daher unzuverlässiger geworden bist, weil Du immer mal wieder Deine eigenen Wege gehst.
- Wenn die Täter bemerkt haben, dass sie nicht mehr alles mit Dir machen können, weil Du Dich hinaus bewegst und versuchst, Dich abzugrenzen.
- Wenn die Täter Dich aus einigen Sachen rauslassen und Dich nichts weiter dazu wissen lassen, weil sie nicht wissen, was Du mit diesem Wissen anstellen würdest.
- Wenn es den Tätern möglicherweise zu anstrengend geworden ist, Dich immer und immer wieder zu massregeln oder Dich zu überreden, nun doch noch wenigestens etwas mitzumachen und sich lieber um eine andere Person kümmern und sich weniger auf Dich konzentrieren.
- Wenn Du spürst, dass die Situation sich gerade irgendwie entspannt hat und es relativ ungefährlich wäre, jetzt einen Versuch zu wagen.
- Wenn Du gelernt hast, Dich gut abzusichern und möglicherweise bereits schriftliche wichtige Daten hinterlegt hast und an einem Plan gearbeitet hast, dann hast Du Dir darüber evtl. eine gute Möglichkeit geschaffen, um so ganz gezielt und gut vorbereitet einmal Kontakt zu einem oder mehreren Tätern aufzunehmen, um mit einem Anliegen bzw. einer deutlichen Grenzziehung Deinen Ausstieg voran zu bringen.
- …
Wichtig finde ich zum Einen, gut zu gucken, wie die Situation und Deine Möglichkeiten gerade aussehen und zu erspüren, wie gefährlich jetzt ein bestimmtes Handeln wäre und zu erkennen welche Risiken es gibt und sich zu überlegen, wie man damit umgehen kann. Zum Anderen denke ich, ist es gut, sich abzusichern, in dem man z.B. andere Menschen informiert und um Hilfe bittet, in dem man sich im Vorfeld Informationen und Rat organisiert, in dem man u.U. sein Umfeld verlässt und darüber Distanz zu Tätern herstellt und sich überlegt, wie man sicher wohnen kann.
Es geht also darum, die Distanz zu den Tätern und Menschen, die Dir nicht gut tun, zu erhöhen und gleichzeitig Möglichkeiten zu finden, wie man (körperlich) sicher sein kann.
Das kann man auf verschiedene Wege erreichen. Für manche ist es wichtig möglichst weit wegzuziehen, vielleicht auch eher im Sinne von „untertauchen“, sich verstecken. Für andere ist es besser, sie bleiben in ihrem gewohnten Umfeld und versuchen, ihre Wohnung sicherer zu machen und mehr Unterstützer miteinzubinden. Wieder andere wissen genau, sie müssen mit den Tätern reden und ihnen sagen, dass sie z.B. keine Anzeige erstatten werden und können sich hierüber einen Weg raus bahnen und gleichzeitig relativ unbeschadet davon kommen.
Das sind nur einige Wege, die man gehen kann. Wie auch immer Du entscheidest: Du musst lernen, Dich abzugrenzen und zu schützen. Du musst Dir sichere Orte schaffen, an denen Du sein kannst, ohne von Tätern belästigt zu werden.
Es ist gut, sich genau darüber Gedanken zu machen und es macht Sinn der Frage nachzugehen: „Warum wollen die Täter mich eigentlich nicht gehen lassen? Was verlieren sie, wenn sie mich nicht mehr gebrauchen können? Ist die Gefahr, die spürbar wird, damit verbunden, dass die Täter befürchten, ich könnte eine Anzeige erstatten?
Wenn Du hierauf schon Vorahnungen oder Antworten hast, kann Dir das helfen, diese Erkenntnisse für Dich zu nutzen. Hierzu mag es unterschiedliche Ansichten geben. Ich persönlich denke, Deine Sicherheit geht vor. Es wäre klug, zuerst für eine äussere Distanz zu sorgen und wenn Du einen Ort gefunden hast, an dem Du sicher wohnen kannst, hast Du genug Zeit, um weiterzuplanen und in eine bestimmte Richtung zu gehen (z.B. eine Anzeigenerstattung vorzubereiten oder eben gerade keine Anzeige zu erstatten und Dein Wissen dazu zu verwenden, um den Tätern zu zeigen, dass Du brisantes Wissen hast, doch bereit bist, Dein Wissen für Dich zu behalten, wenn die Täter bereit sind, Dich dafür in Ruhe zu lassen) und eingebunden in einen gesicherten Rahmen Deine Entscheidung umsetzen kannst.
Es gibt ganz unterschiedliche Situationen und Ausstiegswege. Daher ist es schwer einheitlich etwas dazu zu schreiben. Wann was für Dich dran ist, musst Du herausfinden.
Aber es gibt Möglichkeiten und Wege! Und Du kannst erkennen, wie es bei Dir weitergehen kann. Doch bei all`den Wünschen nach Veränderungen, ist eins am Wichtigsten: Bitte bring Dich in Sicherheit! Sichere Dich gut ab! Und wenn Du sicher genug bist, dann plane und wage den nächsten Schritt!!!
Zusammenfassung
Ein Ausstieg beginnt oft mit inneren Gedanken, Zweifeln, Fragen und Entschlüssen.
Es ist gut, sich zu einer Entscheidung durchzuringen und dann auch konkrete Schritte zu gehen. Doch manchmal ist ein gezieltes Abwarten auch sehr schlau und kann helfen.
Die inneren und äusseren Veränderungen sollten Hand in Hand gehen, um auch langfristig Stabilität und Erfolge zu erhalten.
Die innere Auseinandersetzung mit Dir und Deiner Situation ist genaus so wichtig, wie äussere Veränderungen.
Deine Sicherheit geht vor!!! Erkenne Risiken und Gefahren. Lerne die Situation richtig einzuschätzen und nutze Deine Wahrnehmungen, um einen günstigen Moment für einen weiteren Versuch abzupassen.
Es ist besser zuerst etwas zu planen, sich Ziele zu setzen und sich zu überlegen, wie man diese Ziele realistisch erreichen kann, als planlos zu handeln.
Manchmal ist es besser, sich zuerst körperlich in Sicherheit zu bringen, also für ein sicheres Wohnen, für Mitwisser und Unterstützer zu sorgen usw., bevor es zu einem Fortschritt kommen kann.
Es ist gut, nicht allein zu bleiben und Menschen um sich herum zu haben, die es gut mit einem meinen und etwas von der Situation und den Plänen wissen.
Liebe Betroffene! Liebe/r Aussteiger/in!
Bitte sei schlau und pass gut auf Dich auf, bevor Du den nächsten Schritt unternimmst!!!
Doch wenn sich eine gute Gelegenheit bietet, dann zögere nicht und werde aktiv, um diese Situation für Dich zu nutzen!
Sorge gut für Dich und für Deine Sicherheit! Überlege Dir, worum es den Tätern hauptsächlich geht und wie Du mit dieser Erkenntnis sinnvoll umgehen kannst.
Hab Mut zur rechten Zeit das Richtige zu tun und bitte mach weiter. Bitte steig aus!!!
Vanessa Lehmann(c), November 2014
www.mut-zum-ausstieg.de
veröffentlicht am 19.01.2015