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Was Dir bei einem Herausbewegen helfen kann

 

Wie Du sicherlich schon bemerkt hast, gibt es viele Hürden und evtl. ernsthafte Gefahren, die es zu überwinden bzw. geschickt zu umgehen gilt, wenn Du Dich von den Tätern entfernen möchtest.

Doch glücklicherweise gibt es auch Lösungsmöglichkeiten und Dinge, die sich bei anderen Aussteigern bereits bewährt haben. Einige Vorschläge und Ratschläge, über die Du ja mal nachdenken kannst, möchte ich Dir nun geben:

Entschlusskraft

Wenn Du das, was Du tust, aus einer inneren Entschlossenheit und Überzeugung heraus tust, dann hat das oft eine grosse Wirkung.

Dabei geht es nicht darum, dass Du Dir unbedingt felsenfest sicher sein musst oder keine Angst haben darfst. Doch Du kannst immer noch einen Rest- Zweifel verspüren und Angst haben, und dennoch ist es möglich anderen soweit zum Ausdruck zu bringen, dass Du es ernst meinst und nicht mehr umzustimmen bist und bei dem, was Du tust auch bleiben wirst, weil Du tief in Dir drin spürst: „Ich weiss, dass ich das Richtige tue. Ich habe keine Ahnung, ob ich erfolgreich sein werde. Es kann auch schief gehen. Aber ich kann nicht anders, ich muss es versuchen. Ich will das jetzt so.“

Diese innere Entschlusskraft wird ihre Wirkung zeigen. Denn dadurch bekommt Dein Handeln mehr Kraft und Zielgerichtetheit und Du kannst Dir hierdurch Respekt verschaffen.

Wenn Du das, was Du tust, nur sehr unentschlossen oder halb durchdacht anpackst, dann kann das u.U. dazu führen, dass die Täter Dich nicht ernstnehmen und Dich nur belächeln.

Wenn Du also effektiv sein möchtest, dann versuch doch bitte, Dein Tun zuerst gut zu durchdenken (Meine ich das auch so? Kann ich das jetzt umsetzen und dem Nachdruck verleihen?) und dann mit Entschlossenheit und Überzeugung umzusetzen, weil es dann viel wirksamer gelingen kann.

Geheimhaltung

Manchmal muss man schlau sein und seine Pläne und Gedanken gut verbergen. Es kann sein, dass Du z.B. gerade mit Personen zusammenlebst, die mit zu der Gruppierung gehören, aus der Du gerne raus möchtest. Wenn Du Dich gefragt hast, ob diese Person/ diese Personen mit Dir aussteigen möchten und Du eher feststellst, dass sie nicht mitkommen würden, macht es wohl eher Sinn, dass Du Deine Entscheidung aussteigen zu wollen und Deine weiteren Pläne und Vorbereitungen besser für Dich behältst.

Es kann sein, dass es dafür andere Personen gibt, die Du in irgendeiner Weise miteinbeziehen kannst, doch es kommt auch häufig vor, dass man erstmal niemandem etwas sagen darf, bis man sich körperlich ausser Reichweite begeben hat.

Solltest Du also merken, dass Du nur eine Chance hast, da raus zu kommen, wenn Du alle Deine Gedanken für Dich behältst, dann ist es gut, auf diese innere Warnung zu hören. Beobachte einfach gut den weiteren Verlauf und überleg Dir, wie es am besten für Dich weitergehen kann. Das mag anstrengend sein, sich immer zurücknehmen und teilweise verstellen zu müssen.

Doch irgendwann sind Deine Pläne ausgereift und Du weisst, wie ein nächster Schritt sein kann. Und vielleicht hast Du Glück und es ergibt sich eine gute Situation oder unverhofft taucht ein Mensch auf, dem Du vertrauen kannst und der Dich unterstützt. So kannst Du die Gelegenheit nutzen und Dich auf den Weg begeben, die Gruppe zu verlassen.

Mitwisser

Es gibt Situationen, da ist es geschickt für Mitwisser zu sorgen. Mitwisser sind Menschen, denen Du Dich anvertraust. Denen Du vielleicht nicht alles erzählst, aber ein paar Informationen gibst, die ihnen helfen, Deine Situation zu verstehen und mitzudenken bzw. mitzuhelfen.

Wenn Du solche Personen in Deiner Umgebung oder in der Ferne gefunden hast, kannst Du mit ihnen ganz konkrete Absprachen treffen, um Dich darüber abzusichern, um eine Flucht zu planen, um Sicherheitsabsprachen zu treffen, um gemeinsam mit den Mitwissern einen nächsten Schritt weg von den Tätern zu wagen.

Sozial gut eingebunden sein

Ebenso ist es klug, wenn es Menschen gibt, die Dich kennen und die Dich vermissen und nach Dir fragen würden, wenn Du plötzlich nicht mehr auftauchen würdest. Das können Arbeitskollegen, Bekannte, Verwandte, Nachbarn oder Freunde sein.

In der Fachliteratur hat sich hierfür der Begriff „Soziales Netz“ eingebürgert. Damit ist gemeint, dass Du durch den Kontakt zu anderen Menschen so gut eingebettet bist, dass Du Dich dadurch ein Stück weit sicher fühlst und so gut eingebunden bist in Deinem Alltag, dass Du voraussichtlich nicht angegriffen werden könntest, ohne dass es jemand merkt. Und das kann Dir sowohl Schutz als auch Stabilität und Unterstützung verschaffen und bietet eine gute Ausstiegshilfe, insbesondere dann, wenn es einige Personen gibt, die wissen worauf sie achten sollen und was im Ernstfall zu tun wäre.

Hinterlegen

Wichtige Informationen über Straftaten, die andere begangen haben, kannst Du niederschreiben und diese Informationen bei einem Anwalt und weiteren ausgewählten Personen hinterlegen. Dies dient als Absicherung für Dich und für Deine Helfer bzw. für Menschen, die Dir wichtig sind.

Denn in einem zweiten Schritt kannst Du nun an den Täter bzw. die Täter herantreten und ihnen z.B. ankündigen, dass Du Informationen über sie an verschiedenen Orten hinterlegt hast und sollte Dir oder weiteren Personen etwas zustossen, würden diese Informationen sofort an die Ermittlungsbehörden weitergeleitet werden.

Einige Aussteiger arbeiten an dieser Stelle lieber mit Journalisten zusammen und nehmen im Vorfeld z.B. ein Interview auf und sagen den Tätern dann, dass dieses Interview veröffentlicht werden wird, wenn sie nicht auf Abstand bleiben. Dies können Möglichkeiten sein, wie man an Täter herantreten und ihnen Grenzen aufzeigen kann. Doch diese Schritte sollten gut vorbereitet werden, damit der Schuss nicht nach hinten losgeht.

Schutzbrief

Einige Aussteiger arbeiten gerne mit einem Schutzbrief, weil sie sich dadurch sicherer fühlen und sie wissen, dass im Ernstfall schnell gehandelt werden kann.

Einen Schutzbrief trägt man immer bei sich. Dieser Brief enthält die Information, wen man anrufen soll (z.B. einen Anwalt oder einen Helfer), wenn dem Betreffenden etwas passiert ist. Sollte jemand also körperlich angegriffen worden sein, so wissen alle, dass nun eine bestimmte Person informiert werden soll und diese Person weiss wiederum, was nun zu tun ist, z.B. schnell zu dem Aussteiger kommen, damit er nicht alleine ist, sofort die Polizei informieren oder eine andere Person schützen oder eben das hinterlegte Material in einem solchen Fall weiterleiten…

Geschickt kann es möglicherweise sein, wenn man mit einem Schutzbrief und weiteren Absicherungsmassnahmen so offen umgeht, dass die potentiellen Angreifer auch davon erfahren, weil das dann zusätzlich abschrecken kann, so dass dies in manchen Situationen dafür sorgt, dass eine Person erst gar nicht angegriffen wird.

K.O.- Spray

Genauso kann es sich mit sichtbaren Hilfsmitteln, wie einem K.O- Spray verhalten. Wenn ein Aussteiger nach aussen hin den Tätern signalisiert, dass er jetzt nicht mehr alles mit sich machen lässt und sich wehrt, kann er dafür sorgen, dass er dieser Haltung Nachdruck verleiht, indem er sich z.B. K.O.- Spray zulegt und immer bei sich trägt. Hier ist es gut, wenn das auch alle wissen, weil dies dazu führt, dass die Angreifer sich nun zweimal überlegen, ob und wie sie einen Angriff wagen würden und wenn das alles mit einer inneren Überzeugung einhergeht, die keinen Zweifel daran lässt, dass man das Spray auch tatsächlich gegen Angreifer einsetzen würde, dann kann das äusserst effektiv sein.

K.O.-Spray ist nur ein Hilfsmittel. Andere benutzen gewöhliches Haarspray, Deo oder stecken sich eine kleine Pfeiffe in die Tasche, so dass sie im Ernstfall andere Menschen auf sich aufmerksam machen können. Da gibt es verschiedene Varianten, womit man äussere Grenzen ziehen und Angreifer etwas abschrecken kann. Ziel ist immer sich selbst zu schützen und nach aussen zu signalisieren, dass man sich nicht alles gefallen lässt und die Täter ab jetzt mit Konsequenzen rechnen müssen. Das macht es ihnen etwas schwerer unbemerkt an jemanden heranzukommen und kann echt hilfreich sein.

Ein sicherer Raum zum Ausruhen, Nachdenken und Aufschreiben

Ich persönlich finde, dass es ein total wichtiger Punkt ist, mindestens einen Raum zu haben, in dem man sich sicher fühlt und zu dem die Täter keinen Zugang haben.

Das kann für das eigene Wohlbefinden ausschlaggebend sein, damit man zur Ruhe kommen kann, mal für sich sein kann und einfach ausruhen kann. Manchmal kann man aus einem Ausgeruht- Sein, aus der Entspannung heraus viel klarer sehen und entschieden und kraftvoller seinen Weg fortsetzen.

Zum Anderen bietet das die Möglichkeit Zeit zum Nachdenken zu haben, mal auf Distanz zu gehen und die eigene Situation zu reflektieren. Wer einen sicheren Ort hat, an den die Täter nicht hinkommen, kann dort auch wichtige Informationen aufschreiben, um für sich selbst Klarheit zu gewinnen, um Informationen zu ordnen und um zu überlegen, wie diese Informationen für den weiteren Verlauf genutzt werden können.

Das alles macht aber nur Sinn, wenn die Täter tatsächlich keinen Zugang zu diesem Raum haben und die niedergeschriebenen Informationen nicht in ihren Besitz gelangen. Nur so sind die Informationen geschützt und können effektiv für die Erreichung der eigenen Ziele genutzt werden.

Deshalb ist es so wichtig, dass es irgendwann genügend Abstand zu Tätern gibt. Ohne einen gewaltfreien, sicheren Raum kann man unmöglich stabiler werden, heilen und seinen Ausstieg erfolgreich voranbringen.

Ein sicherer Raum hat viele Vorteile und kann die eigene Situation massgeblich verbessern.

Deshalb möchte ich jedem Aussteiger dazu raten, sich diesen Punkt besonders genau vorzunehmen und zu überprüfen, wie die Situation gerade aussieht, ob es so einen sicheren Raum schon gibt bzw. wie es gelingen kann, so weit auf Abstand zu Tätern zu gehen, dass sie entweder gar nicht mehr körperlich an Dich und Deinen Wohnraum ran kommen oder es wenigstens einen Rückzugsraum für Dich gibt, an dem Du in Ruhe sein kannst und wenigstens schon mal für einen Moment sicher bist.

Und wenn dem noch nicht so ist: keine Panik! Das kann sich ändern!

Du hast die Möglichkeit, nach und nach dafür zu sorgen, dass Du eines Tages sagen kannst: „Jetzt bin ich sicher. Hier kommen sie nicht mehr an mich ran.“

 

Liebe Betroffene! Liebe AussteigerInnen!

Vielleicht fallen euch jetzt noch ganz andere Sachen ein, die euch helfen können und die gut zu euch passen. Das ist gut. Denn bei allem, was ich hier aufschreibe, geht es darum, euch Ideen und Anregungen zu geben, damit ihr leichter herausfinden könnt, was jetzt zu euch und eurer Situation passt.

Ich hoffe, dass für den ein- oder anderen ein hilfreicher Gedanke mit dabei war. Einiges von dem, was ich aufgelistet habe, hat mir selbst geholfen. Anderes weiss ich von anderen Betroffenen oder von Fachpersonen, die diese Tipps in Gesprächen an mich weitergaben. So kannst Du Dir eigene Gedanken hierüber machen, mit anderen Personen sprechen und sie dazu befragen oder Dir weitere Informationen über Bücher besorgen.

So zahlreich wie die Hürden, Gefahren und Situation seien können, so verschieden die einzelnen Täter, Gruppierungen und Aussteiger sind, so verschieden und vielfältig sind auch die Lösungswege und Hilfsmittel. Schau einfach, was zu Dir passt, womit Du gut umgehen kannst und was in Deiner Situation Sinn macht und dann hilft nur noch eins:
es einfach zu tun, es einfach ausprobieren, es einfach wagen!

 

Lass Dich nicht unterkriegen! Bitte mach weiter! Denn Veränderungen sind möglich!!!

Ich wünsche Dir von ganzem Herzen viel Erfolg und Gelingen dabei!!!

Mit lieben Grüßen,

Vanessa Lehmann(c), November 2014
www.mut-zum-ausstieg.de

veröffentlicht am 19.01.2015

Quellen zu diesen Tipps sind:

eigene Erfahrungen

Austausch mit verschiedenen Fachpersonen

www.michaela-huber.com